Der Eintritt der Urteilsunfähigkeit markiert den Beginn der zweiten Phase des Vorsorgeauftrags – der Validierungsphase. Wie kommt es dazu? Und was passiert zu diesem Zeitpunkt? Annina Spirig, Spezialistin für persönliche Vorsorge, skizziert die Umstände.
Urteilsunfähigkeit hat viele Gesichter und Vorgeschichten: Manchmal tritt sie infolge eines Schwächezustands oder Schlaganfalls von einem Moment auf den anderen ein. Meist erfolgt sie krankheitsbedingt in einem langsam voranschreitenden Prozess. In einigen Fällen merken Betroffene selbst, dass sie sich nicht mehr um ihre finanziellen, rechtlichen und persönlichen Angelegenheiten kümmern können. In anderen Fällen sind es Angehörige oder nahestehende Personen, denen eine Hilfsbedürftigkeit auffällt.
So oder so: Sowohl für Angehörige als auch Betroffene ist die Auseinandersetzung mit einer allmählich sichtbar werdenden Hilfsbedürftigkeit herausfordernd und mit vielen Fragen verbunden: Wann ist jemand schutz- und hilfsbedürftig? Zu welchem Zeitpunkt sollte man sich fachlichen Rat holen oder sich bei der Erwachsenenschutzbehörde KESB melden? Die Situationen und die damit einhergehenden Fragen fallen je nach Krankheit und Person sehr unterschiedlich aus. Sie bedingen in jedem Fall eine individuelle Abklärung mit Einbezug von Fach- und Vertrauenspersonen.
Ist der Zeitpunkt tatsächlich gekommen, dass eine Person nicht mehr selbst für sich sorgen kann – und mit einem Vorsorgeauftrag für diesen Moment vorgesorgt hat –, dann beginnt die Validierungsphase des Vorsorgeauftrags bei der KESB. Um diesen Prozess zu eröffnen, wenden sich Angehörige oder nahestehende Personen in vielen Fällen direkt mit dem Vorsorgeauftrag an die KESB. In anderen Situationen wird die Behörde durch Dritte über die Urteilsunfähigkeit einer erwachsenen Person aufmerksam gemacht. Dann erkundigt sich die KESB im Umfeld der betroffenen Person und beim Zivilstandsamt, ob ein Eintrag vorhanden ist, der auf die Erstellung und den Hinterlegungsort eines Vorsorgeauftrags hinweist.
Sobald das Originaldokument der Behörde vorliegt, beginnt dessen Validierung. Dazu wird geprüft, ob die schutzbedürftige Person urteilsunfähig geworden ist sowie die Urteilsunfähigkeit medizinisch attestiert und der Vorsorgeauftrag formgültig errichtet wurden. Falls Zweifel bestehen, wird sichergestellt, dass die auftraggebende Person den Vorsorgeauftrag freiwillig verfasste und zu diesem Zeitpunkt urteilsfähig war. Im Gespräch mit der im Vorsorgeauftrag ernannten Vertretungsperson geht die KESB der Frage nach, ob sich diese für die vorgesehenen Aufgaben eignet und ob sie bereit ist, diese zu übernehmen. Auch klärt die KESB, ob der Vorsorgeauftrag eine Entschädigung definiert. Im besten Fall hat sich die inzwischen urteilsunfähige Person dazu im Vorsorgeauftrag geäussert.
Bevor die KESB die Validierung vollzieht und die Entscheidsurkunde ausstellt, wird geprüft, ob eine weitere Auslegung des Vorsorgeauftrags und weitere Massnahmen des Erwachsenenschutzrechts erforderlich sind. Nach erfolgreichem Abschluss des Validierungsprozesses kann sich die vorsorgebeauftragte Person mittels Urkunde gegenüber Dritten ausweisen. Somit kann sie die im Vorsorgeauftrag erteilten Aufgaben rund um die Personensorge, den Rechtsverkehr und die Vermögenssorge stellvertretend im Sinne der schutzbedürftigen Person erledigen.