Altersarmut in der Schweiz hat viele Gesichter. Am stärksten betroffen sind Frauen, ausländische Staatsangehörige sowie Personen mit tiefer Bildung. Armut stellt ältere Menschen nicht nur vor finanzielle Herausforderungen, sondern wirkt sich auch auf die Gesundheit, Zufriedenheit und Einsamkeit aus.
«Irgendwie wird es schon gehen, habe ich mir gesagt. Hilfe wollte ich partout nicht. Ich lief bis ins hohe Alter mit Löchern in Schuhen und Kleidern umher. Es fehlte mir am Nötigsten. Ich schämte mich dafür. Heute lasse ich mir helfen.»
Zwar stehen die meisten Personen im Pensionsalter in der Schweiz finanziell gut bis sehr gut da. Dennoch leben 200'000 Seniorinnen und Senioren unterhalb der Armutsgrenze, 100'000 nur knapp darüber. Meistens liegt den finanziellen Problemen ein Zusammenspiel verschiedener Ereignisse zugrunde:
Erwerbslücken treten besonders bei Personen auf, die:
Nicht alle können sich im Alter auf ein soziales Netzwerk aus Angehörigen, Verwandten sowie Freundinnen und Freunden stützen. Viele sehen sich gezwungen, externe Hilfe in Anspruch zu nehmen – insbesondere um zu Hause leben zu können. Besonders aufwändig und kostspielig ist dies bei alltäglichen Haushaltsarbeiten und administrativen Hilfen.
Bestimmte soziodemografische Gruppen sind unterschiedlich stark von Altersarmut betroffen. Besonders von Altersarmut gefährdet sind Frauen, Ausländerinnen und Ausländer, Geschiedene sowie Personen, die nur einen obligatorischen Schulabschluss besitzen. Dies geht aus dem Teilbericht des Altersmonitors zu Altersarmut hervor.
Das Armutsrisiko ist für ältere Menschen besonders gross, wenn sie gleich mehreren dieser Gruppen angehören. Bildung kommt dabei eine entscheidende Rolle zu: Eine höhere Ausbildung senkt nicht nur das Armutsrisiko, sondern auch den Einfluss anderer Risikofaktoren.
Das Risiko, im Alter von Armut betroffen zu sein, sinkt mit steigendem Bildungsgrad: Senioren und Seniorinnen mit obligatorischem Schulabschluss sind mehr als viermal so oft von Armut betroffen wie solche mit tertiärem Abschluss. Der Hauptgrund für diese grosse Differenz: Ältere Menschen mit höherer Bildung sind während ihres Erwerbslebens eher in der Lage, einen grösseren Teil ihres Einkommens in die berufliche Vorsorge und die private Vorsorge zu investieren.
Personen mit Migrationshintergrund oder ohne Schweizer Staatsangehörigkeit leiden häufiger an Altersarmut als Schweizerinnen und Schweizer. Trotz verschiedener Gründe stechen die AHV-Renten hervor: Im Vergleich zu Schweizer zahlen ausländische Staatsangehörige erst nach ihrem Zuzug in die Schweiz in die AHV ein. Das führt zu Beitragslücken und somit zu kleineren Renten. Denn ausländische Vorsorgewerke sind in der Regel nicht im Stande, die Beitragslücken in der AHV auszugleichen.
Ein wichtiger Grund, weshalb Frauen stärker von Altersarmut betroffen sind als Männer, liegt in den unterschiedlichen Geschlechterrollen innerhalb der älteren Generation: Während Männer bis zur Pensionierung meist in einem hohen Pensum erwerbstätig waren, kümmerten sich Frauen oft um den Haushalt und die Kinder und erzielten kein oder nur ein tiefes Erwerbseinkommen in einem niedrigen Arbeitspensum. Aus diesem Grund erhalten viele Frauen keine Rente aus der zweiten Säule oder nur eine sehr niedrige.
Seniorinnen und Senioren, die verwitwet, geschieden, oder ledig sind, sind einem stärkeren Armutsrisiko ausgesetzt als Verheiratete. Obwohl die individuellen Renten von Verheirateten kleiner sind als jene von Alleinstehenden, überwiegen ihre finanziellen Vorteile, Fixkosten wie die Miete teilen zu können.
Ältere Menschen in städtischen oder peri-urbanen Gemeinden sind weniger stark von Altersarmut betroffen als jene in ländlichen Gemeinden. Auch auf kantonaler Ebene zeigen sich Unterschied: So leidet in den Kantonen Tessin, St. Gallen und Nidwalden ein grösserer Anteil der Rentnerinnen und Rentner an Altersarmut als in Zug oder Basel-Stadt.
Nebst den finanziellen Herausforderungen wirkt sich Armut auch negativ auf die Gesundheit, Zufriedenheit und Einsamkeit der betroffenen Senioren und Seniorinnen aus.
Menschen in ärmeren Verhältnissen üben häufiger Berufe aus, die langfristig negative Folgen für ihre Gesundheit haben. Zusätzlich braucht ein gesunder Lebensstil finanzielle Ressourcen, etwa für den Kauf von frischem Obst, Gemüse und Fleisch.
Seniorinnen und Senioren sind im Schnitt stärker von Einsamkeit betroffen, wenn sie unterhalb der Armutsgrenze leben. Um ein soziales Netzwerk zu pflegen, braucht es Geld. Transport- oder Unterhaltungskosten machen es vielen älteren Menschen unmöglich, ihre Freizeit mit Freundinnen und Freunden verbringen oder Familienmitglieder zu besuchen.
Ärmere Seniorinnen und Senioren haben eine tiefere Lebenszufriedenheit. Der wahrscheinlichste Grund dafür ist die andauernde Stresssituation, die mit der engen Budgetierung des Lebensunterhaltes zusammenhängt. Zudem lassen die kleinen Renten von Armutsbetroffenen wenig Spielraum für ausserordentliche Ausgaben und «die kleinen Freuden» im Leben.