Ein Testament hilft, das eigene Vermögen zielgerichtet Personen oder Organisationen zu vermachen. Der wahre Nachlass liegt jedoch vielmehr in den Erinnerungen und Geschichten, die wir hinterlassen, schreibt Jacline Ferahyan, Fachmitarbeiterin Sozialberatung.
In einer materialistischen Gesellschaft, in der wir unser Vermögen versichern, verwalten und vererben können, stellt sich die Frage: Was bleibt, wenn wir nicht mehr sind? Woran erinnern sich unsere Liebsten, wenn sie an uns denken? Woraus besteht unser Nachlass? In einem Testament lassen sich die finanziellen Fragen klären: Wer erhält unsere Ersparnisse, Liegenschaften, Kapitalien und persönlichen Gegenstände?
Beim eigenen Nachlass handelt es sich jedoch um weit mehr als um blosse Besitztümer: Indem wir anderen etwas vermachen, hinterlassen wir ihnen ein Stück von uns selbst – ein Stück unserer Lebensgeschichte. Ein Testament hilft, uns damit auseinandersetzen, wem wir was hinterlassen möchten. In dieser Auseinandersetzung ist ein Blick zurück unausweichlich – ein Blick auf das, was uns mit anderen verbindet, die Momente, die uns berührt haben, die Geschichten, die unvergesslich bleiben.
Diese Momente und Geschichten tragen dazu bei, ein Erbe zu erschaffen, das über das Materielle hinausgeht. Vielleicht ist der wahre Nachlass nicht das, was wir anderen hinterlassen, sondern das, was wir im Augenblick unseres Lebens gegeben haben? Jede liebevolle Geste, jedes ehrliche Wort, jede Berührung und jedes Lächeln sind Fragmente unseres Vermächtnisses, das wir bereits vermachen, bevor wir sterben.
Der Wunsch, dass die Nachwelt uns in guter Erinnerung behält, liegt tief unserer menschlichen Natur. Wir sind nicht das, was wir besitzen: Der wahre Nachlass liegt in den Erinnerungen und in den Geschichten, die wir hinterlassen. Sie sind weder messbar noch greifbar. Unser Nachlass lebt in unseren Hinterbliebenen weiter. Der Tod mag uns von der Welt nehmen, aber die Erinnerungen bleiben – im Herzen derer, die wir zurücklassen.