Über Rituale, Erinnerungen und den Weg durch die Trauer. Ein Interview mit Monica Lonoce Trauerbegleiterin und Autorin.
Monica Lonoce: Es macht einen Unterschied, ob in der Familie ein Erwachsener oder ein Kind stirbt, ob nach einer langen Krankheit oder plötzlich, z. B. durch einen Unfall. Es spielt auch eine Rolle, ob minderjährige Kinder direkt betroffen sind – etwa durch den Tod eines Elternteils oder Geschwisters. In allen Fällen ist die emotionale Herausforderung enorm.
Beim Tod eines (Gross-)Kindes, eines Elternteils oder eines Lebenspartners fällt das Grundgefüge der Familie auseinander. Dieses wieder neu aufzubauen und zu lernen, mit dem Verlust zu leben, ist eine Lebensaufgabe. Auch im hohen Alter ist der Verlust eines erwachsenen Sohnes oder einer erwachsenen Tochter ein überwältigender Schmerz, da dieser Mensch immer das eigene Kind bleibt.
Vor allem Menschen, die wirklich da sind. Menschen, die die Situation aushalten, die genug Boden unter den Füssen haben, um der Familie Halt zu geben – ohne (gut gemeinte) Ratschläge, Rettungsversuche und vor allem ohne Erwartungen an die Trauernden.
Als erwachsene Person mit dem Verlust eines Kindes oder Partners leben zu lernen, hat viele Aspekte. Einer davon ist, den Alltag so gut wie möglich aufrechtzuerhalten – das gibt etwas Halt. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Erkenntnis, dass der Verlust eines Kindes oder Partners zusätzliche Unterstützung braucht.
Um die vielen Aufgaben zu bewältigen, hilft es, für sich herauszufinden, welche Art von Hilfe passt. Die Suche danach kann anstrengend sein, ist aber bereits ein Teil des Prozesses. Mir haben Bücher über ähnliche Erfahrungen und meine Freundinnen sehr geholfen. Ich habe auch Begleitung in Anspruch genommen. Dabei habe ich gelernt, dass die grösste Hilfe darin besteht, gut für mich und mein Leben zu sorgen. Alles auf diesem Weg – auch wenn es scheinbar nur zentimeterweise vorwärtsgeht oder zwischendurch stillsteht – ist Teil des Prozesses. Man muss sich selbst neu kennenlernen und achtsam mit sich umgehen.
Die Trauer als solche ändert sich nicht, doch der Umgang damit. Die Veränderung liegt mehr in der eigenen Entwicklung. Die Erfahrung zeigt, dass jeder Tag, jeder Schritt eine Veränderung mit sich bringt. Mit welchen Ritualen, Gedenktagen oder Erinnerungen sich jemand gehalten und sicher fühlt, ist sehr individuell. Auch diese verändern sich mit der Zeit, je mehr festen Boden man wieder unter den Füssen spürt. Dabei spielen auch Kultur, Glaube und viele andere Aspekte eine Rolle.
Wichtig ist, nicht zu erwarten, dass die Trauer irgendwann vorbei ist. Das wäre dem Verlust nicht angemessen. Dieses verlorene Kind, die verlorene Mutter oder Lebensgefährtin, der verlorene Vater oder Lebensgefährte wird immer in irgendeiner Weise Teil der eigenen Biografie und der Familienbiografie bleiben. Die Frage ist nur, wie viel Raum man diesem Teil im eigenen Leben gibt. Ein guter Ort für den verstorbenen Menschen und die Beziehung zu ihm ist sicher ein angemessener Platz im Herzen.
Monica Lonoce hat ihre Erfahrungen in ihrem Buch Molina, die Trauerfee verarbeitet.